5. Karma
"Gilt das Gesetz des Karma im ganzen Universum?"
Ja, natürlich. Auch Ursache und Wirkung gelten überall. Jede Aktion ruft eine Reaktion hervor. Und genauso auch jeder Gedanke. Diese Gesetzmäßigkeit ist unter anderem in die Worte gefaßt worden: "Was ein Mensch sät, das wird er auch ernten." Das heißt, daß alle unsere früheren Taten und Gedanken in der Gegenwart auf uns zurückwirken. Und was wir jetzt gerade tun und denken, gestaltet unsere Zukunft mit.
Sobald ein Geistwesen sich vom Körper getrennt hat, hält es Rückschau auf seinen gesamten bisherigen Werdegang. Danach entscheidet es, welche Art von Leben es beim nächsten Mal führen will. Ist es eine kluge Wahl, so ergänzt dieses neue Leben alle bisherigen Lebensläufe und Erfahrungen.
Keine zwei Geistwesen durchlaufen dieselbe Entwicklung. Jedes sucht sich selbst den zu ihm passenden Weg in freier Entscheidung aus. Das geschieht vor der Verkörperung, denn als Mensch auf der Erde unterliegt man den Naturgesetzlichkeiten und Umweltbedingungen und wird von den herrschenden Verhältnissen an der vollen Ausübung des freien Willens gehindert. Wenn man sich verkörpert, stellt man sich der Aufgabe, seine Persönlichkeit innerhalb der Grenzen des stofflichen Lebens einzusetzen.
Man muß wissen, daß neues Karma nicht nur von Einzelpersonen geschaffen wird, sondern auch von Familien, größeren Gruppen, Sekten, Nationen und von der Menschheit als Ganzes, und das in jeder Minute, die verstreicht. Wer darum manchmal meint, er habe an der Last des Daseins zu schwer zu tragen, sollte daran denken, daß er vielleicht nicht nur die eigenen Untaten, sondern auch die seiner früheren Familie, Gemeinschaft, Sekte oder Nation abträgt. Gehört man andererseits zu den "Glücklichen", die anscheinend nie etwas verkehrt machen und stets zur rechten Zeit am rechten Ort sind, dann erntet man möglicherweise die Früchte vergangener guter Taten. Das zeigt, daß es "Glück" in Form günstiger Zufälle eigentlich gar nicht gibt, höchstens eine uns verborgene Gesetzmäßigkeit.
So überraschend es klingt: ein Geistwesen könnte seine gesamte Entwicklung in einem einzigen Leben abschließen. Doch das gibt es nur ganz selten. Meistens sind dafür mehrere Leben notwendig - Dutzende, Hunderte, sogar Tausende. Manche Geistwesen verkörpern sich oft, andere ganz selten. Eine feste Zahl gibt es nicht, da jeder Geist das selbst entscheidet.
Es kann vorkommen, daß man einem Menschen begegnet (oder sogar selbst solch ein Mensch ist), der zurückgekehrt ist, um eine karmische Schuld aus einem früheren Leben zu begleichen. Die Schuld kann in einem einzigen entscheidenden Augenblick abgetragen sein oder in den ersten fünf Lebensjahren, es kann aber auch ein ganzes Leben brauchen oder noch mehr. Dann muß man ein weiteres Mal wiederkommen, um das "Konto" auszugleichen.
Auch wenn wir noch so sehr provoziert werden, müssen wir uns sorgsam davor hüten, gegen andere einen Groll oder Gefühle der Rache zu hegen. Solche gefühlsmäßigen Bindungen hemmen nämlich die eigene Entwicklung. Viele Menschen zitieren das Bibelwort "Auge um Auge, Zahn um Zahn" als Rechtfertigung für ihren Rachedurst. Damit aber mißversteht man diesen Ausspruch gründlich, denn er besagt in Wahrheit: "Das Leben selbst wird jedem Menschen vergelten, was er getan hat, und zwar bis auf den letzten Heller. Das ist das Gesetz des Karma." Spielen wir uns also nie als Richter auf oder nehmen die Austeilung karmischer Gerechtigkeit selbst in die Hand. Tut uns jemand Unrecht, so sollten wir ihm vergeben, da wir wissen, daß er zu seiner Zeit den Lohn erhalten wird. Groll, Nachtragen, Verachtung und Haß binden uns nur an den oder die Menschen, die wir ablehnen. Einmal müssen diese karmischen Bande gelöst werden, und zwar von uns selbst.
Vergessen wir nie, daß wir uns unseren Körper vor diesem Leben selbst ausgesucht haben. Jetzt, nach der Geburt, bleibt uns immer noch die Freiheit, im einzelnen zu bestimmen, was wir aus dem Leben alles machen wollen, ob wir es nutzen oder vertun, es befriedigend gestalten oder uns einfach ziellos treiben lassen wollen. Und auch, ob wir es mit Grausamkeit, Selbstsucht und Zerstörung füllen wollen.
Und diese Wahl treffen wir jeden Tag neu.
Denken wir immer daran: das Schicksal ist keine blinde, launische, widersprüchliche Macht, die Gunst und Strafe austeilt, wie es ihr gerade beliebt. Schicksal ergibt sich aus dem, was der einzelne, die Familie, die Gemeinschaft, die Rasse, das Volk tut.
Uns steht es frei, während des jetzigen Lebens unsere Zukunft umzugestalten, sie erträglicher zu machen. Letztlich formen wir unser Schicksal selbst.