6. Die ersten sieben Jahre der Kindheit
"Wir betrachten Empfängnis, Geburt und frühe Kindheit gewöhnlich nur von der physischen Seite her. Könntest du uns von deiner Warte aus ein vertieftes Verständnis dieser Abläufe vermitteln?"
Gern. Wie bereits erwähnt, seid ihr es gewöhnt, entweder einen Gott oder eine noch viel launischere Instanz namens Schicksal für das, was euch begegnet, verantwortlich zu machen. Das Karmagesetz dagegen auferlegt diese Verantwortung schlicht und einfach euch selbst.
Nach einem anderen Gesetz des Universums hat jeder die garantierte Freiheit, selbst zu bestimmen, wie und wie schnell er oder sie sich entwickeln will. Daß das stimmt, findet ihr jeden Tag aufs neue bestätigt, denn der Mensch kann tun, was er sich vornimmt. Er kann forschen, erschaffen oder zerstören. Er kann dahinvegetieren, sich mit der Menge treiben lassen, eigene Pfade einschlagen oder sich von allem zurückziehen. Behaltet das bitte fest im Sinn, denn dieses grundlegende Prinzip enthält den Kern dessen, was ich zu sagen habe. Auf dieses Gesetz der Selbstbestimmung gründet sich meine gesamte Auffassung vom Leben, wie es sich hier auf der Erde und auch sonstwo entfaltet.
Wir befinden uns in einem sich ausdehnenden Universum, in dem fortlaufend neue Gedanken oder Energie oder Geist vom Schöpfer oder Urgrund aller Dinge ausgehen. (Wie unvollkommen können doch Worte dieses gewaltige Werk nur beschreiben!) Diese Gedanken gehen aus und sammeln, da sie einen freien Willen haben, ihre eigenen Erfahrungen, bleiben dabei aber weiter Teil des Schöpfers. Auf diese Weise empfindet Gott unablässig auf allen Ebenen und in allen Dimensionen, in den Galaxien, Sonnen, Planeten, in der Natur, dem Menschen, den Atomen und kleinsten Teilchen - in der gesamten Schöpfung. Jeder Geist, der einen Kreislauf von Wachstum und Entwicklung abgeschlossen hat, kehrt an seinen Ursprung zurück und bringt seine Weisheit und seine Erfahrungen ein. So entwickelt sich die Gottheit in ihrer unendlichen Weisheit für alle Zeiten weiter.
Und nun zu den Einzelheiten:
Nehmen wir an, ein Geistwesen entschließt sich zu einer Reinkarnation auf der Erde. Es sucht sich einen Körper aus, der ihm ermöglicht, seine bisher gemachten Erfahrungen zu vervoll- ständigen. Das Geistwesen geht in den Körper im Augenblick der Empfängnis über. Das muß ich klar und deutlich sagen, denn physisches Leben ohne Geist gibt es einfach nicht. Sobald der menschliche Same einen Keim bildet, ist Geist in ihm; laßt euch darin nichts vormachen.
Während das Baby im Schoß der Mutter heranwächst, sind Fötus und Geist gleich wichtig, und beide sind unmittelbar abhängig vom Gesundheitszustand und der Lebensweise der Mutter. Damit kommen wir zu der bitteren Tatsache, daß die meisten Menschen Tag für Tag schädliche Abgase und andere Substanzen aus Fahrzeugen und Fabrikschloten einatmen und obendrein über die Nahrung noch viele Fremdstoffe und Konservierungsmittel aufnehmen. Der menschliche Körper wird heute vielem ausgesetzt, für das er nicht gemacht wurde. Das macht mir sehr große Sorge, denn die schädlichen Auswirkungen zeigen sich nicht notwendigerweise gleich in der ersten Generation.
Der menschliche Körper kann sich nur langsam anpassen. Die vielen Giftstoffe, die ihr auf euren Körper derzeit einwirken laßt, werden darum in der Zukunft schwere Probleme bringen. Früher oder später müssen diese unnatürlichen Lebensbedingungen zwangsläufig ihre Wirkung entfalten. Die Verantwortung von Vater und Mutter ist sogar so groß, daß sie sechs Monate vor der Zeugung eines Kindes genau auf ihre Ernährung achten und jeden Exzess meiden sollten. Sie sollten richtig essen und richtig leben. Besonders während der Zeit der Reifung des Kindes im Körper, wenn der sich inkarnierende Geist Mühe hat, mit dem kleinen und verhältnismäßig hilflosen Körper zurechtzukommen, wird jede geistige, emotionale und spirituelle Hilfestellung, die die Mutter und indirekt auch der Vater ihm zukommen lassen können, dankbar angenommen werden.
Nach der Geburt fängt das Baby an, sich mit Hilfe seines Körpers zum Ausdruck zu bringen. In der Anfangszeit erinnert es sich noch ganz schwach an das, was hinter ihm liegt. Zwar weiß es keine konkreten Einzelheiten zu berichten (obwohl bekannt ist, daß es auch das schon gegeben hat), doch es trägt in sich die Summe aller Erfahrungen früherer Leben.
Während der ersten beiden Lebensjahre helfen die Eltern dem Kind, sich seiner Sinne bewußt zu werden: zu fühlen, zu schmecken, zu riechen, zu sehen und zu hören. Für den Erwachsenen sind diese Mittel der Wahrnehmung und des Ausdrucks selbstverständlich, für das Kind aber sind sie etwas ganz Neues. Gesichter, Farben, Formen, Töne, Düfte und Klangfärbungen von Stimmen prägen das Kind bereits und sind mit dafür verantwortlich, was für ein Mensch es einmal wird.
Das Kind lernt zu sprechen und Kontakte zu anderen zu knüpfen, und dabei lebt es ganz in seiner eigenen Welt. Es sieht und erlebt feinstoffliche Daseinsebenen, die Erwachsene schon lange als "Einbildung" abgetan haben, die Geister der Naturreiche beispielsweise. Mit Vorliebe erkundet es eine Welt, die es sich selbst schaffen kann, in der es Abenteuer und Phantasiereisen erleben kann, die keinen äußerlichen Bezug zur Realität zu haben brauchen. Was ist eigentlich Realität? Ist es das, was der Geist in euch spürt? Was jede Faser eures Seins vibrieren läßt? Oder ist es das Alltagsleben?
Wirklichkeit, das ist für den Erwachsenen der Stuhl, auf dem er sitzt, der Fußboden, auf dem er steht, die Mahlzeiten, die er einnimmt, die Rechnungen, die er bezahlt. Doch was war für ihn Wirklichkeit, bevor er in seinen Körper kam? Sie bestand aus seinen Gedanken, Gefühlen und Erinnerungen sowie allen früheren Erlebnissen. Es waren Farbe, Licht, Ton, die Fähigkeit, eine Situation zu betrachten und sie zu erfassen, ohne sie zu analysieren und zu durchdenken - sie einfach zu sein. Wirklichkeit hieß, dort zu sein, wo man gerade sein wollte, losgelöst von Zeit und Raum. Das ist die Wirklichkeit, die das Kind mitbringt. Ihr dürft die wunderbare Offenheit in dieser entscheidenden Phase auf keinen Fall ersticken, denn das Kind nutzt Sinne, die für seinen Geist so natürlich und selbstverständlich sind wie die sinnliche Wahrnehmung für den Körper.
Mit dem Eintritt in die zweite Hälfte des ersten Jahrsiebts, im Alter von drei oder vier Jahren, braucht das Kind den Kontakt mit anderen Kindern. Jetzt sollten Beziehungen nach außen gefördert werden, damit das Kind Gelegenheit hat, mehr von der Welt jenseits des Schutzwalls der Familie zu erleben. In dieser Zeit sollten auch die Intelligenz des Kindes und seine Vorstellungs- kraft geschult werden. Ich möchte aber keinem empfehlen, sein Kind mit Wissen vollzustopfen, denn das Wachstum muß allmählich und ausgewogen voranschreiten. Eine Pflanze im Gewächshaus, die übermäßig gedüngt wird, bekommt vielleicht eine besonders große Blüte, hat aber wahrscheinlich einen zu schwachen Stengel und muß daher bald verwelken. So ist es auch bei einem Menschen. Man muß dem Kind Zeit lassen, damit es stetig heranwachsen und einen kräftigen Stamm als tragfähige Grundlage für das Leben ausbilden kann. Dann entfaltet sich der Mensch nach und nach, und erreicht er schließlich die Zeit der Blüte, so ist er widerstandsfähig und ausgeglichen und hat doch das Gefühl für seine Umgebung nicht verloren.
Es versteht sich von selbst, daß diese ersten sieben Lebensjahre von allergrößter Bedeutung sind. In dieser Zeit kommt es ganz entscheidend auf das Gefühlsband zwischen Eltern und Kind an, denn die Eltern bieten fast ausnahmslos die einzige Sicherheit, an die sich das Kind halten kann. Sie sind die einzige Quelle der Nahrung, der Liebe und des Schutzes; sie allein garantieren sein überleben.
"Und wie streng soll man mit dem Kind sein?"
Das ist eine heiß umstrittene Frage, in der schon immer extreme Standpunkte vertreten wurden.
Mein Vorschlag ist, dieses Thema aus einer etwas umfassenderen Perspektive zu betrachten. Sicher habt ihr bereits gemerkt, daß mir das so am liebsten ist.
Astronomen und andere Wissenschaftler können bestätigen, daß unser Universum geordnet aufgebaut ist. Das zeigt sich an den Naturgesetzen, die alles um euch herum regeln. Nichts würde Bestand haben ohne sie, alles würde in Form zufälliger Energiebündel auseinanderfliegen. In diesem Universum muß man sich an die Regeln halten. Springt man vom Dach, so stürzt man ab. Hält man den Finger ins Feuer, verbrennt man sich. Bleibt man zu lange in Schnee und Eis, erfriert man.
Eine entsprechende Ordnung oder Disziplin müßt ihr auch in euch selbst aufbauen. Sonst werdet ihr ständig gegen den natürlichen Ablauf der Dinge ankämpfen und seid nicht fähig, den Steuerungsimpulsen zu folgen, die eurem Geist helfen, sich am besten zu entfalten. Gibt man einem Kind keinen festen Rahmen vor, so wird es ziemlich sicher scheitern, weil es keinen Maßstab und keine Leitlinien hat, kein Fundament, auf dem es Halt findet. Es kann sogar den Lebensantrieb ganz verlieren, ziellos werden und so eine ganze Inkarnation vergeuden.
Wenn dieser junge Mensch nun aufwächst und selbst Kinder hat, geht das so weiter und führt schließlich zu einer Gesellschaft, die die Orientierung verloren hat, deren Maßstäbe abbröckeln, in der niemand mehr an etwas glaubt, keiner mehr einen Sinn im Leben sieht und die nicht mehr an ihre eigene Zukunft glaubt.
Wenn ihr meint, daß dieses düstere Bild bereits den derzeitigen Zustand auf der Erde beschreibt, dann versteht ihr auch, wie wichtig jede einzelne Eltern-Kind-Beziehung für die Stabilität unserer ganzen Zivilisation ist.
Ich muß aber gleich hinzufügen, daß man in der Erziehung bei aller Strenge nie intolerant oder ungeduldig sein darf. Kein Kind darf bestraft oder zurückgewiesen werden, weil es die Zeit und den Lebensraum von euch Eltern beansprucht, denn schließlich wart ihr es, die es in Zeit und Raum geholt haben!
Natürlich ist niemand vollkommen, weder Kinder noch Eltern. Und einen Vater oder eine Mutter, die niemals laut werden oder denen nie die Hand ausrutscht, gibt es nicht. Doch das Kind braucht einen Bezugsrahmen, wenn es älter wird, denn der Geist kann erst richtig in ihm wirken und mit dem Körper gut zusammenarbeiten, nachdem der Zustand der Reife erreicht ist. Dann kann der Geist mit der Weisheit, die er bereits erlangt hat, unmittelbarer auf den Körper einwirken.
Dies ist der hauptsächliche Grund, weshalb ein Kind ein grundlegendes Empfinden für Gut und Böse mitbekommen sollte. Man kann einwenden, daß sich die Normen ändern, daß sich die Einstellung über das, was moralisch ist, ständig weiterentwickelt. Das stimmt. Aber es gibt einige Grundsätze, ungeschriebene Regeln, die stets gegolten haben und zum Nutzen und zum Schutz aller Menschen auch immer gelten werden. Dies sind Konstanten, und ich glaube, daß jeder, der ehrlich zu sich ist, zugeben wird, daß die menschliche Gesellschaft ohne sie in Chaos und Anarchie abgleiten würde.
Wer nun immer noch der Meinung ist, einem Kind müsse von den ersten Jahren an die Freiheit eingeräumt werden, zu tun und zu sagen, was immer es will und wann es will, dem antworte ich: "Dann hat es zwar Freiheit, aber die menschliche Natur ist so beschaffen, daß die Freiheit sich sowohl für kreative und geniale Dinge, aber auch für höchst selbstsüchtige und zerstörerische, letztlich selbstzerstörerische Zwecke einsetzen läßt." Deswegen meine ich, daß den Interessen aller am besten gedient ist, wenn
-- man sein Kind liebt und gut versorgt,
-- man es ermutigt, seine Vorstellungskraft und sein
Einfühlungsvermögen zu entwickeln,
-- man ihm freundlich beibringt, sich zu beherrschen und
seine Grenzen im Umgang mit anderen zu erkennen,
-- man ihm ein gewisses Maß an Selbstachtung sowie an
Beziehungsfähigkeit und an Verantwortungsgefühl
vermittelt
-- man ihm schließlich Mut macht, die gewiß vorhandenen
Talente und Fähigkeiten zu entfalten und zum Ausdruck zu
bringen.