1. Dem Erwachsensein entgegen: von 15 bis 21

 

"Und die nächsten sieben Jahre?"

Zuerst sei das bisher Gesagte zusammengefaßt:

Wenn ein Geist im Augenblick der Empfängnis in den von ihm

gewählten Körper eintritt, beginnt für ihn ein neues Abenteuer.

Er trägt alle seine bis dahin gemachten Erfahrungen in sich;

diese bündeln sich jetzt in dem winzig kleinen Stückchen Materie.

Und beim Eintritt des Geistes in die befruchtete Eizelle beginnt

der Inkarnationsprozeß. Die Eizelle entwickelt sich zum Embryo,

und nach und nach fängt der Geist an, den kleinen Körper zu be-

einflussen. Der Geist weiß ganz genau, daß er mit diesem neuen

Fleischesleib zurechtkommen muß, soll ihn die Inkarnation vor-

anbringen.

Wie schon erwähnt, ist die Zeit vor der Geburt von ganz ent-

scheidender Bedeutung, da sie Gelegenheit zur Eingewöhnung

bietet, was vor der Geburt unbedingt nötig ist. Bis zu jenem

Augenblick ist der kleine Körper durch seine Aura und seine

Mutter geschützt. Es gibt wohl kaum etwas Schöneres als den

strahlenden Anblick einer werdenden Mutter, die weiß, was in

ihrem Innern vor sich geht und instinktiv spürt, welche Ver-

antwortung ein Mensch trägt, der ein neues Wesen in das Leben auf

der Erde einführt. Für sie bedeutet das eine Bereicherung, da in

ihr nicht nur der eigene Geist ist, sondern zugleich auch ein

zweiter, der das Abenteuer des Lebens gerade erst beginnt.

Weil diese beiden Geistwesen ein ganz besonders inniges Verhält-

nis zueinander haben, ist auch die Beziehung zwischen Mutter und

Kind so ganz anders als die zwischen Kind und Vater. Der Vater

hat das Kind nicht getragen. Andererseits ist es gut möglich, daß

er mit seinem Kind früher zusammen war und er - unbewußt - spürt,

daß sich eine Erinnerung regt. Hierbei gibt es natürlich zwei

Möglichkeiten: Es können Erinnerungen an Harmonie und Liebe, aber

auch an Zwietracht oder gar Feindschaft sein. In diesen Fällen

kehrt das Kind vielleicht zurück, weil es das Problem lösen möch-

te. Nur zu oft ahnen zwei Menschen nichts davon, daß sie sich in

einem früheren Leben nicht vertrugen und Feinde geworden waren.

In diesem Leben geraten sie fortlaufend erneut schwer aneinander

und verschärfen so das Problem, statt es abzubauen. Irgendwann

einmal muß jeder Zwist, egal ob zwischen Einzelpersonen, Fami-

lien, Gemeinschaften, Sekten oder Völkern, ausgeräumt werden. Im

kleinen Kind äußert sich der Geist mit großer Kraft, weil er

durchbrechen, seinen Weg bahnen und die Wachstumsmechanismen des

Körpers überwachen muß. Er muß den Menschen zum Funktionieren

bringen. Ihr seht also, daß das Wachstum beim Kind längst nicht

nur physikalische und chemische Vorgänge umfaßt.

In den ersten sieben Jahren wird sich das Kind seiner Umwelt

bewußt; es sammelt neue Eindrücke, macht Erfahrungen, gewinnt

Einsichten. Während des nächsten Abschnitts fragt es dann

"Warum?", denkt selbständig. Was die Eltern sagen, genügt ihm nun

nicht mehr. Es fängt an, über sie hinaus zu denken.

Diese Siebenjahresabschnitte darf man natürlich nicht so exakt

nehmen. Es gibt unter jungen Menschen gewaltige Unterschiede;

manche entwickeln sich rasend schnell, andere brauchen länger,

um zu reifen.

Der nun folgende Abschnitt gehört zum Schwierigsten im Leben

eines heranwachsenden Menschenwesens. Weshalb? Weil in dieser

Zeit Verstand und Körper über den Geist dominieren, weil es eine

Zeit der inneren Zerissenheit ist, in der die Eltern sehr ein-

fühlsam und mit viel Mitgefühl vorgehen sollten. Das Gehirn des

jungen Menschen hat bereits eine bestimmte Reife erlangt, es ver-

fügt über einen großen Wortschatz und ist fähig zum vertieften

Nachdenken und Fragen; die Fortpflanzungsorgane haben ihre Funk-

tion aufgenommen. Mit all diesen Entwicklungen muß der junge

Mensch zurechtkommen. Viele meinen, sie könnten in einigen Dingen

schon ganz ohne die Eltern auskommen, was oft zusätzliche Schwie-

rigkeiten schafft.

Wie kann man dem Kind in dieser schwierigen Zeit am besten

beistehen? Mit Sicherheit gibt es Augenblicke, in denen das ganze

Gleichgewicht der vielen Abläufe völlig aus den Fugen gerät: der

Körper entwickelt sich in die eine Richtung, die Gefühlswelt in

eine andere, der Verstand in eine dritte, und der Geist - der hat

vielleicht irgendwo dazwischen seine Mühe, die Eintracht wieder-

herzustellen! Und nicht nur der Geist des Kindes selbst, auch

alle anderen, die ihm in dieser Krisenzeit helfen wollen, haben

dabei ihre liebe Not.

Man darf nicht vergessen, daß der Jugendliche anfängt, sich von

der Aura der Eltern völlig loszulösen. Vor dieser Zeit hat sich

das Verbindungsstück zwischen ihnen allmählich aufgelöst, doch

mit vierzehn wird es durchtrennt und dem Kind ist plötzlich so,

als sei es ganz auf sich allein gestellt. Das muß auch in der

glücklichsten Familie so ablaufen.

Anfangs ist das etwas Faszinierendes, denn der junge Mensch kann

nun vieles selbst sehen und tun und genießen, was Erwachsenen

offensteht. Doch dann wird ihm schmerzlich bewußt, daß er allein

ist. Dieses Gefühl des Getrenntseins kann sich in einigen Fällen

als Furcht oder als Introversion äußern; in anderen Fällen macht

es sich als Widerspenstigkeit und Rebellion gegen die Gesell-

schaft Luft.

In dieser Zeit könnt ihr nichts weiter tun, als ihm mit unend-

licher Geduld, Liebe und - falls das akzeptiert wird - Lenkung

zur Seite zu stehen, doch stets ohne jede Vorbedingung. Und ihr

müßt erkennen, daß euer Sohn oder eure Tochter jetzt ein

eigenständiger Mensch ist.

Ihr dürft nicht von eurem Kind erwarten, daß es sich so entwi-

kelt, wie ihr das wollt, denn es muß sich auf die ihm gemäße Art

und Weise entfalten. Niemand in einem materiellen Körper kann das

Karma eines anderen vollständig begreifen. Ihr könnt alles nur

von eurer eingeschränkten Warte aus wahrnehmen, und der häufigste

Fehler, den Eltern machen, ist, von ihren Kindern etwas Bestimm-

tes zu erwarten oder sogar zu fordern, statt für ihr Kind dankbar

zu sein, so wie es nun einmal ist.

Jedes Kind, das auf die Welt kommt, ist in bezug auf seinen

Geist, seine äußere Erscheinung und seine Wesensart einzigartig;

es unterscheidet sich in seinem Denken und seiner Reaktionsweise

von jedem anderen Menschen. In der jetzigen Zeit inkarnieren

viele hochentwickelte Geistwesen, und das heißt, daß es ihnen

schwerer fällt als anderen, damit zurechtzukommen.

Meiner Meinung nach haben wir heute nicht nur eine ganz große

Gelegenheit zum Dazulernen und damit auch eine neue Aufgabe für

Eltern, Lehrer und Politiker, sondern es ist auch ein äußerst

wichtiger Abschnitt in der Geschichte der Erde und der Mensch-

heit, und wir sollten alles in unserer Kraft Stehende tun, um uns

seiner würdig zu erwiesen.